Klimabilanzierung nach dem Territorial- und Verursacherprinzip
In dem Buch „Klimapolitik: Ziele, Konflikte, Lösungen“ von Ottmar Edenhofer und Michael Jakob wird eine Grafik gezeigt, aus der ersichtlich wird, wie viel CO2 zum einen in den verschiedenen Bereichen der Welt emittiert werden (Territorialprinzip/ produktionsbasiert) und zum anderen durch den Konsum dieser Regionen verursacht werden (Verursacherprinzip/ konsumbasiert).
Du wirst es schon geahnt haben: Die Industrieländer (OECD) haben in den letzten 30 Jahren zunehmend mehr Emissionen in anderen Regionen der Welt verursacht. Während die territorialen Emissionen der OECD heute in etwa gleichauf sind mit denen von 1990, sind die über Importe in anderen Gegenden der Welt verursachten Emissionen von etwa 5 % der territorialen Emissionen auf heute über 20 % gestiegen.
Noch mal 14 % weiter entfernt von der Einhaltung des Paris-Abkommens
Auch für Deutschland als Exportweltmeister gilt, dass wir mit unserem Konsum für mehr Emissionen verantwortlich sind als in unserem Land verursacht werden. Für Deutschland sind es 2019 gemäß Our World in Data 14 % mehr Emissionen gewesen, die nach dem Verursacherprinzip Deutschland zugerechnet werden müssen als nach dem Territorialprinzip. Der CO2-Rechner vom Umweltbundesamt (wie auch die meisten anderen) orientiert sich übrigens an dem Verursacherprinzip. Aus diesem Grund liegt der durchschnittliche Fußabdruck ein:er Deutschen höher als der Wert der sich aus dem Teilen der deutschen Emissionen (nach dem Territorialprinz) durch die Anzahl der Einwohner:innen ergibt.
Der Anstieg der Emissionen in z.B. China hat also auch etwas damit zu tun, dass zunehmend mehr Waren für den globalen Norden dort hergestellt werden. Zur Klarstellung: die Emissionen für den Konsum der Chines:innen selber sind auch massiv gestiegen; dennoch sind insbesondere die konsumbasierten pro-Kopf-Emissionen in China noch immer deutlich niedriger als die z.B. in Deutschland).
Der Konsum von Gütern, die im Ausland hergestellt wurden, relativiert natürlich auch die Erfolge bei der Reduktion der Treibhausgase in z.B. Deutschland: Wenn ein nicht unwesentlicher Anteil von Emissionen im Ausland verursacht und nicht mit eingerechnet wird, wird es leichter mit einem gewissen CO2-Budget auszukommen. Auf diese Weise scheinen importierende Länder wie Deutschland, näher an der Einhaltung des Pariser Abkommens zu sein, als sie es in Wirklichkeit sind.
There are million ways of …
Weil das Leben nie so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint, sei hier noch gesagt, dass die Frage umstritten ist, was die gerechteste Art ist, Treibhausgas-Emissionen zu bilanzieren. Gegen den konsumbasierten Ansatz wird ins Feld geführt, dass die Bemühungen (oder auch Verfehlungen) eines Landes um die Reduktion von Emissionen, die im Zusammenhang mit der Produktion von Exportgütern entstehen, auf diese Weise keine angemessene Berücksichtigung finden. Bei diesem Ansatz werden sie dem importierenden Land, das nichts dafür getan hat (oder kann) als Erfolg (bzw. bei Verfehlungen als Misserfolg) angerechnet. In Modellen, die versuchen, solche Effekte zu berücksichtigen (z.B. hier), sind die Unterschiede in der CO2-Bilanzierung zwischen dem Territorialprinzip und dem modifizierten Verursacherprinzip ein Stück kleiner als bei dem oben gezeigten, nicht modifizierten Verursacherprinzip.
Allerdings lässt sich auch über diese Modelle streiten. In dem im Link vorgestellten Modell wird z.B. den Herstellungsländer von Massenware, wie z.B. China, systematisch gegenüber den Herstellungsländern von Spezialprodukten, wie z.B. Deutschland mit seinen hochtechnologischen Exportgütern, ein größerer Teil der Emissionen der exportierten Produkte zugeschrieben. Dies folgt aus der Verknüpfung ökonomischer Faktoren mit der Zuordnung der Emissionen und ist zum Vorteil von Ländern, die Preise am Markt besser durchsetzen können. Neben dieser strukturellen Ungerechtigkeit gibt es auch eine heraus gehobene Verantwortung des globalen Nordens, die Technologien zur Lösung der Klimakrise zu entwickeln, ohne dafür ganz viel Anerkennung zu verlangen. Denn schließlich ist der Entwicklungsvorsprung des globalen Nordens unter Verursachung von jeder Menge Klimaschaden erarbeitet worden. Da ist es nur gerecht, wenn auch die Entwicklung der Lösungen vorgenommen wird. Und diese müssen dann dem Rest der Welt zur Verfügung gestellt werden und zwar so, dass nicht der Profit für die Unternehmen des globalen Nordens im Vordergrund steht, sondern die möglichst schnelle Reduktion der Treibhausgas-Eimissionen.