Klimatarische Ernährung –
ein Aspekt mit vielen Facetten
Uli F Wischnath, Programmkoordinator climactivity
Essen soll lecker und gesund satt machen. Das kann es auf sehr verschiedene Arten und Weisen: Mit mehr oder weniger Fleisch, vegetarisch, vegan. Und jetzt auch klimatarisch! Denn unsere Ernährung macht 15 % des durchschnittlichen deutschen CO2-Fußabdrucks aus und hat auf vielfältige Art und Weise etwas mit der Klimakrise zu tun: Die Landwirtschaft, die letztlich die Grundlage aller Lebensmittel ist, ist die Hauptverursacher:in von Methan und Lachgas-Emissionen und verantwortlich für den Großteil der CO2-Emissionen aus der Landnutzung und ihrer Änderung. Von daher braucht es für den Klimaschutz eine Ernährungs- und Agrarwende. Die gute Nachricht: Wir können bei all diesen Veränderungen weiter lecker satt werden und gesünder ist es noch obendrein. Und wenn wir es richtig machen, können wir zur gleichen Zeit auch noch eine Menge für die Bewältigung anderer drängender Probleme tun.
Aber fangen wir von vorne an: Was für Klimaprobleme macht sie denn eigentlich die Landwirtschaft? Und was muss sich ändern um diese abzustellen?
Methan (CH4)
Insbesondere Kühe (aber auch andere Wiederkäuer) sind für erhebliche Emissionen des Treibhausgases Methan verantwortlich. In Deutschland machten die landwirtschaftlichen Methan-Emissionen 2020 4 % der Treibhausgase aus (UBA), weltweit waren es 7 % (2016, sehr schöne Grafik bei Our World in Data). Vielleicht erscheint dir die Zahl gar nicht soo groß? Hier ist der Grund, warum sie eine besondere Aufmerksamkeit verdienen: Die landwirtschaftlichen Methan-Emissionen werden nicht wie all die Energie-bedingten CO2-Emissionen verschwinden, wenn wir endlich den Umstieg auf erneuerbare Energien geschafft haben, sondern sie werden dann immer noch unverändert weiter anfallen.
Diese Problematik trifft noch auf ein paar weitere Bereiche zu: Die Lachgas-Emissionen (4 % der weltweiten THG-Emissionen, überwiegend landwirtschaftlich, s.u., Daten auch 2016, Our World in Data), die prozessbedingten Emissionen der Zementindustrie (3 %) und der chemischen Industrie (gut 2 %) sowie die CO2-Emissionen der Landnutzung und ihrer Änderung (ca. 4 %, überwiegend landwirtschaftlich, s.u.). Auffällig ist, dass drei der fünf genannten Bereiche mit insgesamt etwa 15 % der weltweiten Emissionen in den Bereich der Landwirtschaft gehören. Ohne eine Agrarwende und eine klimatarische Ernährung ist also bei noch so viel erneuerbarer Energie keine Klimaneutralität zu erreichen.
Um die Methan-Emissionen zu verringern müssen als allererstes mal viel weniger Kühe (und andere Wiederkäuer wie Schafe und Ziegen) gehalten werden. Wie bei der klimatarischen Ernährung insgesamt geht es hier nicht um ein ganz oder gar nicht. Wenn eine Ziegenherde die einzige Form der Sicherung des Lebensunterhalts in einer bergigen Gegend ist, muss dies sicher nicht mit Hinweis auf den Klimaschaden beendet werden. Auch eine flächengebundene Tierhaltung sorgt dafür, dass auf den Höfen nur so viele Tiere gehalten werden dürfen, wie von dem bewirtschafteten Land auch leben können; auch das würde schon einen großen Schritt in Richtung Klimavertäglichkeit bedeuten, weil die meisten heute üblichen Massentierhaltungen dann schlicht nicht mehr möglich wären. Es geht also um das Ende der Haltung von riesigen Bestände an Tieren – aus der Methan-Perspektive insbesondere an Rindern (Schafen und Ziegen) – die dann häufig als Billigfleisch über die Ladentheke gehen.
Lachgas (N2O)
Durch die Überdüngung, die insbesondere bei riesigen Tierbeständen die Regel ist, werden Lachgas-Emissionen verursacht die für ca. 4 % der Treibhausgase (DE und Welt) verantwortlich sind. Die Tatsache, dass sie nicht verschwinden, wenn wir nur noch erneuerbare Energie nutzen, wurde oben schon benannt. Der Weg, um die Lachgas-Emissionen zu verringern, ist ein verantwortlicher Umgang mit der Düngung insgesamt und eine funktionierende düngerechtliche Kontrolle. Die gibt es in Deutschland aber nicht. Ein effektiver Weg dem Überangebot an Dünger einen Riegel vorzuschieben, ist die Beschränkung, dass ein Betrieb, nur so viele Tiere halten darf, wie von der Fläche gefüttert werden können. Hier ist der biologische Landbau vorbildlich, auch wenn geringe Mengen an Futter zugekauft werden dürfen. Diese sogenannte Flächbindung führt automatisch dazu, dass nicht mehr tierischer Dünger entsteht , als die Flächen vertragen. Und dann ist auch das Problem der Überdüngung und des Lachgases im Wesentlichen gelöst.
Landnutzung und ihre Änderung
Zu den Methan- und Lachgas-Emissionen kommt, dass die Landwirtschaft für CO2-Emissionen aus der Landnutzung und ihrer Änderung verantwortlich ist. Wird zum Beispiel Landwirtschaft auf trockengelegten Mooren betrieben oder Regenwald zugunsten des Anbaus von Soja, Palmöl oder Rinderhaltung gerodet, dann verursacht das CO2. Auch wenn das heute „nur noch“ ca. 4 % der jährlichen Emissionen ausmacht, ist das historisch gesehen ein riesiger Posten in der Bilanz: Ein Viertel aller seit der Industrialisierung verursachten CO2-Emissionen, also 25 %, geht auf diese Formen der Landnutzungsänderung zurück. Die negativen Folgen für das Artensterben sind ebenfalls dramatisch.
In Europa ist der Prozess der Landnutzungsänderung schon relativ lang abgeschlossen; hier wurden schon vor hunderten von Jahren viele Moore trockengelegt und Wälder gerodet, um erst das Holz oder den Torf zu nutzen und dann die Flächen der Landwirtschaft zuzuführen. Aber auch wenn die Moore schon seit längerem trockengelegt wurden, sind sie immer noch eine massive Quelle für Treibhausgase (Bundes-Landwirtschaftsministerium): Die Ausgasung aus den Mooren richtet sogar einen etwas größeren Klimaschaden an, als z.B. die landwirtschaftlichen Methan-Emissionen. Die Landnutzungsänderung bei den Mooren rückgängig zu machen ist eine wichtige Hausaufgabe für Deutschland, der es sich nicht wirklich stellt: Es gibt nur ganz zaghafte Bemühungen, die 8 % der landwirtschaftlichen Fläche, die auf trockengelegten Mooren liegt, im Interesse des Klimas wieder zu vernässen. Aktuelles Ziel ist es, die Emissionen aus den Mooren bis 2030 um 10 % zu senken. Wenig ambitioniert in Zeiten einer akuten Klimakrise.
Eine Umwandlung von Wald in landwirtschaftlich genutzte Fläche geschieht heute eher an anderen Stellen der Welt, wie z.B. in den Regenwäldern in Brasilien, dem Kongo oder in Indonesien. Natürlich sind diese Rodungen eine Katastrophe und sollten dringend beendet werden. Aber wer sich über den rücksichtslosen Umgang mit der Natur dort empört, sollte sich darüber im Klaren sein, dass genau diese Art des Umgangs auch die Grundlage der europäischen Agrarlandschaft ist und die Rodungen in den Tropen in sehr vielen Fällen vorgenommen wird, um Rohstoffe oder Lebensmittel für den globalen Norden zu produzieren.
In Summe: Wir in Deutschland und Europa haben uns durch historische Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur einen wirtschaftlichen Vorteil (nämlich Ackerland) verschafft und sind nicht bereit auch nur den Teil davon wieder her zu geben (Moorflächen), der noch immer für massive Klimaschäden sorgt. Zusätzlich profitieren wir bereitwillig von der Rücksichtslosigkeit anderer Länder gegenüber ihrer Natur. Dennoch fordern Menschen und Regierungen2 aus dem globalen Norden, dass die Länder, die sich heute einen wirtschaftlichen Vorteil durch Rodungen verschaffen wollen, sich rücksichtsvoller gegenüber ihrem für den Klimaschutz wertvollen Waldbestand verhalten. Hier wäre eine demütigere Haltung angebracht. Eine solche Haltung lässt sich bisher aber nicht wirklich erkennen. Im Gegenteil: Die Zusagen des globalen Nordens für eine finanzielle Unterstützung der Klimaschutzbemühungen der Länder des globalen Südens werden immer wieder nicht eingehalten. Dabei können es sich die armen Länder sehr viel weniger gut leisten, auf wirtschaftliche Vorteile verzichten als der reiche globale Norden.
Wichtig im Hinblick auf die Landnutzung ist auch noch die Tatsache, dass derzeit etwa 80 % der landwirtschaftlichen Fläche für die Nutztierhaltung und die zugehörige Futterproduktion genutzt wird (siehe z.B. Fakt 20 auf dieser Seite der Scientists for Future.). Würde also der Fleischkonsum drastisch reduziert, stünden eine Menge Flächen zur Verfügung um damit Dinge zu tun, die beim Klimaschutz helfen: Ob dies nun eine Aufforstung ist, ein Anbau von erneuerbaren Rohstoffen für die Chemische oder Bauindustrie oder eine weniger intensive und damit Biodiversitäts-freundlichere Landwirtschaft.
Die Versorgung aller Menschen mit einer ausreichenden Menge an Nahrungsmitteln ist übrigens weder heute noch in einer klimafreundlichen Zukunft ein Problem: Wenn z.B. nicht ein Drittel der jährlichen Getreideernte an Tiere verfüttert würde, könnten damit alle Ernährungsprobleme leicht gelöst werden. Aber die Hungernden zahlen halt nicht so gut, wie die Massentierhalter:innen, also fließt der Nährwert woanders hin. Die Wahrheit ist so schlicht und brutal.
Co-Benefits von Agrarwende und klimatarischer Ernährung
Bei Ernährung und Landwirtschaft lassen sich – wie bei vielen anderen Themen – Co-Benefits erzielen. Dabei geht es um Ansätze, die nicht nur etwas für das Klima tun, sondern gleichzeitig auch Verbesserungen bei anderen drängenden Problemen herbei führen.
Eine flächengebundene Tierhaltung und eine Nährstoffversorgung der Böden, die an Umwelt- und Klimastandards orientiert und in Kreisläufen organisiert ist, würde die Überdüngung der Böden beenden. Damit käme die Einhaltung der Grenze bei den Nährstoffkreisläufen (Phosphor und Stickstoff) wieder in Sicht, die eine der vier überschrittenen planetaren Grenzen ist (s. z.B. Bundes-Umweltministerium).
Das Ende der Ackergifte und eine umweltgerechte Landwirtschaft mit mehr Hecken und nicht so riesigen Äckern würde wieder mehr Platz für Tiere aller Arten machen. Damit würde ein wichtiger Beitrag zur Wiedereinhaltung der ebenfalls deutlich überschrittenen planetaren Grenze „Biodiversität“ geleistet. In dieser Frage ist die biologische Landwirtschaft zweifellos vorbildlich.
Die Tierquälerei in der derzeit üblichen Massentierhaltung würde mit einem massiven Rückgang des Fleischkonsums auf jeden Fall schon mal massiv reduziert werden. In diesem Zuge sollte dann natürlich auch gleich geregelt werden, dass das Halten von Tieren unter den heute üblichen qualvollen Bedingungen verboten wird.
Eine Ernährung mit deutlich weniger Fleisch ist gesünder. Das ist gegebenenfalls auch ein ganz individueller Gewinn. Heute wird im Durchschnitt dreimal so viel Fleisch gegessen, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Die Planetary Health Diet (hier auf Deutsch oder im Original auf Englisch), die darauf ausgerichtet ist, eine gesunde Versorgung aller Menschen unter Einhaltung der planetaren Grenzen sicher zu stellen, empfiehlt sogar noch weniger Fleisch.
So geht klimatarische Ernährung
Die Quintessenz der klimatarischen Ernährung lautet von daher: Mach dir einen sehr stark pflanzlich orientierten Speiseplan mit wenig Fleisch und Milchprodukten. Das spart Geld. Dafür kaufe – wenn Du es Dir leisten kannst – möglichst Bio-Lebensmittel (ja, das ist teurer; guck was es dir wert ist und was dein Portemonnaie erlaubt). Und dann sollten die Lebensmittel am besten nicht auf trockengelegten Moorflächen oder durch Waldrodung gewonnen worden sein; aber das ist ihnen leider nicht anzusehen, weshalb du dich in Bezug auf diesen Punkte nur dafür einsetzen kannst, dass solche Praktiken verboten, zumindest aber von jeder Subvention ausgeschlossen und am besten entsprechend gekennzeichnet werden.
Aus Sicht des Klimas kannst du das mit der pflanzlich orientierten Ernährung übrigens recht undogmatisch angehen: Wenn dir dein Flammkuchen nur mit echtem Speck und saurer Sahne schmeckt, dann mach ihn so! Unterm Strich kommt es darauf an, dass der Klimaschaden klein gehalten wird.