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Klimaschutz braucht Akzeptanz.
Akzeptanz braucht Menschen, die dafür werben.

Uli F Wischnath, Programmkoordinator climactivity

Klimaschutz gelingt nur, wenn die Mehrzahl der Menschen ihre Lebensweise in einiger Hinsicht verändert. Das betrifft so elementare Fragen wie unsere tägliche Ernährung oder Fortbewegung. In dieser Hinsicht ist das Thema Klimaschutz stärker mit gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um das Tempolimit, den Nichtraucherschutz, die Gurtpflicht oder die Gleichberechtigung verwandt als mit denen um die Beendigung der Atomkraft oder des Waldsterbens. Beim Klimaschutz und den erstgenannten Themen sind bzw. waren Neuregelungen für (fast) Jed:en im Alltag zu spüren. So etwas wird auch von einer prinzipiell willigen Regierung nur dann umgesetzt, wenn die Akzeptanz für die entsprechenden Maßnahmen ausreichend groß ist.

Wir können schon jetzt durch gute Klimakommunikation einen wichtigen Beitrag für das Gelingen von Klimaschutz leisten, indem wir dafür sorgen, dass die Akzeptanz für ambitionierten Klimaschutz wächst. Auf dieser Grundlage kann eine gewillte Regierung die dafür notwendigen Maßnahmen ergreifen, weil sie damit dann auf Gegenliebe stößt und nicht auf Widerstand.

Aber was ist gute Klimakommunikation? Moraltriefende Aussagen, die im Kern auf einem „Du musst aber …“ basieren, sicher nicht: die lösen meist nur Widerstand aus. Besser ist es eigene Erlebnisse und auch Schwierigkeiten zu teilen und sich mit dem zu beschäftigen, was das Gegenüber bewegt im Hinblick auf eine Veränderung hin zu mehr Klimaschutz.

Wir sind auf Akzeptanz angewiesen – Eine rein technische Lösung gibt es nicht!

Die Klimakrise wird zu fast drei Vierteln durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas befeuert. Von daher ist der Übergang zu erneuerbaren Energien die zentrale Maßnahme, die weltweit umgesetzt werden muss, damit die Klimakrise nicht immer weiter eskaliert. Können wir also nicht einfach so viel erneuerbare Energie erzeugen, dass wir damit alle Vorgänge, bei denen Energie verbraucht wird, mit dieser Energie betreiben und alles andere im Wesentlichen so bleibt, wie es ist? Dann könnte der Übergang zur Klimaneutralität sozusagen hinter den Kulissen vorgenommen werden und die Mehrheit der Menschen wäre davon nicht wirklich betroffen.

Das ist aus mehreren Gründen so nicht möglich:
Zum einen kommt erneuerbare Energie am einfachsten, am günstigsten und mit der größten Verfügbarkeit in der Form von Strom daher. Die fossilen Energieträger hingegen sind feste, flüssige oder gasförmige Energieträger, deren Verbrennung eine Vielzahl von Prozessen antreibt. Die Erzeugung von Strom ist dabei zwar der wichtigste einzelne Prozess, aber ist nur für weniger als die Hälfte des Bedarfs an fossilen Energieträgern verantwortlich. Nun gibt es zwar die Möglichkeit aus dem erneuerbaren Strom Energieträger mit ähnlichen Eigenschaften herzustellen, wie sie die fossilen Energieträger haben, aber das ist mit erheblichen Verlusten verbunden und macht diese grünen Gase oder Flüssigbrennstoffe dann sehr teuer. Wo immer es möglich ist, sollte also eine direkte Verwendung von Strom angestrebt werden, anstatt eine alte Technologie beizubehalten und mit viel Aufwand und Energieverschwendung sowie zu hohen Kosten einen Energieträger für die alte Technologie zu erzeugen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Elektromobilität: In einer klimaneutralen Welt wird E-Mobilität schlicht die billigste Art des Kraftverkehrs sein. Ähnliches gilt für Wärmepumpen und eine Reihe von Industrieprozessen. Die Umstellung dorthin jetzt zu forcieren, ist also ein Weg, um Menschen vor hohen Kosten in der Zukunft zu schützen und den Bedarf an erneuerbarem Strom nicht ins Unermessliche steigen zu lassen.

Außerdem müssten sehr viele Kapazitäten zur Erzeugung, Verteilung und Speicherung von erneuerbarem Strom aufgebaut werden. Das ist in der Kürze der Zeit, die bis zur Erreichung der Klimaneutralität bleibt, kaum zu schaffen. Deshalb genügt es nicht, lediglich die Energiequelle zu wechseln und ansonsten so weiter zu machen wie bisher. Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es den Energiebedarf bis 2050 um 50 % gegenüber dem Jahr 2008 zu senken.1 Es ist also erforderlich deutlich weniger Energie zu verbrauchen. Zum Glück sind viele Prozesse auf der Basis von Strom sehr viel effizienter als die heute üblichen, so dass schon alleine die Elektrifizierung einen guten Teil der notwendigen Fortschritte bei der Effizienz leistet. Darüber hinaus braucht es aber auch echte Senkungen des Energiebedarfs. Ganz wichtig ist dabei die Dämmung von Gebäuden, aber auch der Abschied von einem Konsum, bei dem Dinge immer kürzer benutzt werden. Krassestes Beispiel: 1 Mrd. Kleidungsstücke, knapp 20 % des Gesamtbestandes, wurden höchstens zweimal überhaupt getragen.2

Erneuerbare Energien allein reichen nicht aus

Und dann kommt als dritter Punkt hinzu, dass wir bald schon gänzlich treibhausgasneutral leben müssen und die fossilen Energieträger weltweit „nur“ gut 70 % des Klimaschadens ausmachen. Es verbleibt also nach der Umstellung auf erneuerbare Energien noch immer eine Menge zu tun, um auf Null zu kommen:

  • Die Methan-Emissionen aus der Landwirtschaft und der Klimaschaden durch die Umwandlung von Wald und Mooren in landwirtschaftlich genutzte Fläche erfordern eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Wichtigster Punkt dabei: viel weniger tierische Nahrungsmittel, damit viel weniger Tiere gehalten werden.

  • Das Fliegen wird selbst bei Verwendung eines Treibstoffs aus erneuerbaren Energien nicht klimaneutral, weil die in großer Höhe ausgestoßenen Abgase den Großteil des Klimaschadens hervorrufen. Dieses Problem ist in den nächsten 10 bis 20 Jahren nicht zu lösen. Fliegen muss also in den nächsten Jahr(zehnt)en viel weniger selbstverständlich werden.

  • Die Zementproduktion stößt auch nach der Umstellung auf erneuerbare Energie noch viel CO2 aus, weil die Hälfte ihrer Emissionen durch den grundlegenden chemischen Prozess der Zementherstellung verursacht wird. Wir sollten also weniger und anders bauen. Das ist nicht schlimm, weil wir ja genug Wohnfläche für alle haben – immerhin mehr als 45 qm pro Kopf. Das, was wir bauen, sollten wir so weit möglich mit nachwachsenden Rohstoffen bauen. So werden die Gebäude zu Kohlenstoffspeichern, statt Klimaschaden anzurichten.

For Future braucht mehr als nur Klimaneutralität

Für die Frage, welche Herausforderungen sich durch technische Lösungen bewältigen lassen, ist es wichtig über den Tellerrand des Klimaschutzes hinaus zu schauen. Allein aus Klimaschutzgründen ist zum Beispiel die Umstellung auf eine Elektromobilität auf Basis von erneuerbaren Energien eine gute Lösung. Aber bei Einbeziehung von Fragen der Lebensqualität, der Gesundheit und des Ressourcenschutzes wird schnell deutlich, dass wir eine andere Mobilität brauchen und nicht nur einen Motorentausch. Eine viel stärker am öffentlichen Verkehr, am Fahrrad und den Fußgänger:innen orientierte Mobilität ist von daher die wirklich gute Lösung, weil sie dem Klimaschutz hilft und uns auch im Hinblick auf die anderen Fragen weiter bringt. In ähnlicher Weise gilt für Veränderungen im Bereich Ernährung, beim Bauen und beim Konsum, dass wirklich zukunftstaugliche Lösungen mehr erfordern, als nur eine andere Energiequelle.

All diese Punkte verdeutlichen: Klimaschutz und Enkeltauglichkeit müssen mit Veränderungen in unser aller Leben einhergehen. Das sind in vieler Hinsicht Veränderungen, die das Leben lebenswerter machen. Trotzdem erfordern sie es, dass mensch vertraute Gewohnheiten ablegt und sich mit Ungewohntem anfreundet. Diese Schwierigkeiten kennen Viele vom Sporttreiben oder vom Abnehmen. Das Gewohnte sein zu lassen, ist immer schwer und dazu drängen lässt sich eigentlich niemand gern. Also muss irgendwer sich die Mühe machen und bei einer Vielzahl von Menschen die Bereitschaft zum Wandel wecken, damit Regelungen für ambitionierten Klimaschutz dann, wenn sie kommen, auf Gegenliebe in breiten Teilen der Bevölkerung stoßen und nicht auf Protest. Den wird es zwar immer geben, nur darf er nicht die Unterstützung bzw. Sympathie der breiten Masse finden.

Bleibt also „nur“ noch die Frage, wer diese schwierige Aufgabe der Überzeugungsarbeit übernehmen sollte. Meine These: Wenn nicht wir alle, denen Klimaschutz ein wichtiges Anliegen ist, es tun, dann wird es nicht gelingen; denn

  • die Politik will gar nicht so recht, dass die Menschen so viel Klimaschutz wollen, weil sie zu stark mit denjenigen Industrien verflochten ist, die bei ambitioniertem Klimaschutz etwas zu verlieren haben,

  • der allergrößte Teil der Wirtschaft legt wahlweise Steine in den Weg oder macht nur für solche Lösungen Werbung, die ihnen ein gutes Geschäft versprechen,

  • die Medien finden andere Themen in der Regel leider wichtiger,

  • und die Umweltverbände und Klimaschutz-Initiativen dringen zu vielen Leuten gar nicht durch.

Wir dagegen sind im Gegensatz zu Politik, Medien und großen Teilen der Wirtschaft überzeugt, dass Klimaschutz wirklich wichtig ist. Als Privatpersonen haben wir im Gegensatz zu Umweltgruppen die Chance, zu Menschen durchzudringen, die Klimaschutz grundsätzlich zwar wichtig finden, aber Umweltgruppen nicht so recht trauen. Wenn wir als Freund:innen, Nachbar:innen oder Kolleg:innen, als Sportskamerad:innen oder Gemeindemitglieder auf Andere zu gehen, dann genießen wir einen gewissen Vertrauensvorschuss, weil wir uns halt schon kennen. Treten wir dabei allerdings missionarisch auf, dann ist dieser Vertrauensvorschuss schnell verspielt und wir dringen mit unseren Botschaften genauso wenig zu den Menschen durch, wie die Umweltgruppen.

Die Grenzen der Akzeptanz wurden (und werden) nicht ausgereizt

In einer Demokratie sind die Menschen an der Macht in ihrer Machtausübung unter anderem dadurch begrenzt, dass sie wiedergewählt werden wollen und in manchen Fällen auch müssen, damit das, was sie auf den Weg gebracht haben, nicht zurückgedreht wird. Der Atomausstieg der rot-grünen Regierung aus dem Jahr 2000 zum Beispiel wurde durch Schwarz-Gelb 2010 wieder massiv verwässert. Die Regierung kann von daher nur innerhalb eines Handlungsspielraums agieren, der durch die Akzeptanz dieses Handelns in der Bevölkerung begrenzt ist. Über ihre Kommunikation hat sie natürlich auch eine ganze Menge Möglichkeiten auf diesen Handlungsspielraum einzuwirken und Akzeptanz für Klimaschutz zu schaffen. Oder genau das Gegenteil zu tun wie beim Klimapaket 2019. Ich fand einen der schlimmsten Aspekte davon, dass die damalige Regierung in keinster Weise kommuniziert hat: „Wir befinden uns in einer Krise. Wir müssen jetzt endlich handeln.“ Stattdessen klangen die Erklärungen von Kanzlerin und Minister:innen eher nach: „Tut uns leid, aber diese Kids auf der Straße zwingen uns, euch die folgenden Maßnahmen zuzumuten.“3

3  Eine Einschätzung in ähnlicher Richtung hat Bernd Ulrich in der ZEIT veröffentlicht: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/klimaschutz-klimapaket-oekologie-groko-demokratie-bundesregierung

Abb. 1: schematisches Diagramm zur Akzeptanz von Klimaschutz-Maßnahmen in Abhängigkeit von ihrem Ambitionsgrad. Es werden zwei Defizite deutlich: Die Regierungen nutzen ihren Handlungsspielraum bisher nicht zugunsten einer größtmöglichen Klimaschutzambition. Deshalb braucht es starken Druck auf die Politik, damit das anders wird.
Abb. 2: Nach Einschätzung des Autors ist aber derzeit auch keine ausreichende Akzeptanz in der Bevölkerung für ambitionierten Klimaschutz vorhanden, so dass die zweite große Aufgabe neben dem Druck auf die Politik darin besteht für mehr Akzeptanz zu sorgen.

Das liegt sicher daran, dass die letzten Regierungen sich von der Lobby derjenigen Unternehmen, die beim Klimaschutz was zu verlieren haben, bereitwillig schwere Kugeln an die Beine haben binden lassen. Sie haben also den Handlungsspielraum nicht zu Gunsten des Klimaschutzes ausgenutzt, sondern sich eher am anderen Ende des Spektrums bewegt. Sie haben nur so viel Klimaschutz gemacht, dass sie nicht von einer Mehrheit der Bevölkerung als gefährlich untätig angesehen wurden. Weil die Interessen von fossilen Industrien für das politische Handeln großes Gewicht hatten, gab es auch wenig Bemühen darum, die Grenzen der Akzeptanz zu verschieben.

Die Demonstrationen, Petitionen und Aktionen der Klimaschutzbewegung zielen sehr häufig darauf, die Politik zum Handeln aufzufordern. Das ist absolut notwendig und total wichtig. Wir müssen die Regierung dazu antreiben, so viel Klimaschutz zu machen, wie möglich ist. Aber da Regierungen wiedergewählt werden wollen und – wenn es denn eine ist, die ambitionierten Klimaschutz macht – wir auch wollen, dass sie wiedergewählt wird, kann auch eine beim Klimaschutz gewillte Regierung nur in den Grenzen einer gewissen Akzeptanz handeln.

Einerseits ließe sich sicher ein ganzes Stück mehr Klimaschutz machen, ohne an eine Akzeptanzgrenze zu stoßen. Damit dieser Rahmen ausgeschöpft wird, braucht es Druck auf die Politik. Aber andererseits bin ich mir sehr sicher, dass eine 1,5-Grad-kompatible Politik derzeit keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden würde. Ich glaube nicht, dass unsere Gesellschaft in der Breite schon bereit ist für z.B. eine massive Reduktion der Flugreisen, des Fleischkonsums und des motorisierten Individualverkehrs. Würden die dafür notwendigen Maßnahmen jetzt beschlossen, würden die Verantwortlichen bei der nächsten Wahl aus dem Amt gefegt. Einen Vorgeschmack auf die Grenzen der Akzeptanz haben die Diskussionen rund um die Initiativen der Grünen für 5-Mark-für-den-Liter-Sprit und den Veggie-Day gegeben. Damit der Handlungsspielraum für ambitionierten Klimaschutz für eine willige Regierung möglichst groß ist, muss die Akzeptanz für ambitionierte Klimaschutz-Maßnahmen wachsen. Und dafür können wir etwas tun 🙂

Die Grenzen der Akzeptanz für ambitionierten Klimaschutz verschieben

Bei der Verschiebung der Grenzen der Akzeptanz kommt die Klimakommunikation ins Spiel. Denn so mir nichts, dir nichts verändern sich die Einstellungen zu elementaren Aspekten unseres Alltagslebens nun mal nicht. Zu Gute kommt allen, die an dem Projekt Akzeptanz-Steigerung mitwirken wollen, dass die meisten Menschen der Ansicht sind, dass Klimaschutz wichtig ist. Diese Menschen müssen „nur noch“ dafür gewonnen werden, diese Haltung auch in klimafreundlicheres Handeln umzusetzen bzw. in eine Akzeptanz von Maßnahmen, die klimaschädliche Lebensweisen (detulich) erschweren. In welche Fallen mensch dabei tappen kann, beschreibt ein Poster von der Regenwaldstiftung oro verde so gut, dass wir all diese guten Hinweise hier nicht wiederholen, sondern das Studium dieses tollen Dokuments empfehlen. Außerdem wird der Blogbeitrag in der Reihe „Freiheit und Verantwortung“, der im Laufe des Junis erscheint, auch näher auf die Mechanismen eingehen, die Klimakommunikation (leichter) gelingen lassen.

Nur so viel noch: Die Erwartung, dass das Gegenüber bestimmte Dinge tun muss, dient meist nicht dem gewünschten Zweck. Es entsteht ggf. eher Widerstand, statt die Akzeptanz für Klimaschutz-Maßnahmen zu steigern oder Verhaltensänderungen anzuregen. Zurückhaltung mag manchmal schwer fallen, weil die Klimakrise sich schließlich immer weiter zuspitzt und da schnell das Gefühl entstehen kann, dass die eine oder andere Verhaltensweise gar nicht mehr geht. Wenn es dir so geht, dann knüpfe an Werte wie die Verantwortung für nachkommende Generationen an, die du mit deinem Gegenüber teilst, und erkläre, warum du Klimaschutz zu einem entscheidenden Maßstab in deinem Leben machst. Und bei aller Eile: Es braucht ein bisschen Geduld. Bleib am Ball und greif das Thema immer wieder mal auf. Wenn dein Gegenüber sich innerhalb von ein oder zwei Jahren drauf einlässt, bei den Big Points klimafreundlicher zu leben, und eine Akzeptanz für ambitionierte Klimaschutzpolitik entsteht, dann ist wirklich eine Menge gewonnen.